Ein Mann und eine Frau hantieren an einer Labormaschine herum

Marie Curie: „Koste es, was es wolle“

Die polnische Nobelpreisträgerin Marie Curie über die Liebe zur Wissenschaft, die Hindernisse des alltäglichen Daseins und ihre Heimat Polen. Die Fragen dieses fiktiven Interviews stellte Christine Kirchhoff, die Antworten der 1867 verstorbenen Physikerin stammen aus den unten genannten Quellen.

Foto: Pierre und Marie Curie im Labor. Credits: Gemeinfrei


Madame Curie, Sie sind bis heute die einzige Frau, die gleich zwei Nobelpreise bekommen hat. Und das auch noch in zwei verschiedenen Forschungsdisziplinen: der Chemie und der Physik. Damit gehören Sie zu den wenigen Frauen, die für große Entdeckungen in der Physik geehrt wurden. Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg
Marie Curie: Es scheint, dass das Leben für keinen von uns leicht ist. Doch was nützt das, man muss Ausdauer und insbesondere Selbstvertrauen haben. Man muss daran glauben, für eine bestimmte Sache begabt zu sein, und diese Sache muss man erreichen, koste es, was es wolle.

Als Frau blieb Ihnen der Zugang zur Universität in Ihrem Heimatland Polen verwehrt. Deswegen sind Sie als junge Frau von Warschau nach Paris gegangen, um dort alleine unter zahlreichen Männern Physik, Chemie und Mathematik zu studieren. Wie haben Sie diese Zeit empfunden?
Marie Curie: Mein ganzes Denken und Empfinden war auf mein Studium ausgerichtet. Alles, was ich an Neuem sah und lernte, entzückte mich. Es war, als hätte sich eine neue Welt geöffnet, die Welt der Wissenschaft, die ich nun endlich in voller Freiheit kennen lernen durfte.

Eigentlich hatten Sie immer vor, in Ihre Heimat Polen zurückzukehren. Doch es kam anders: Als jung verheiratete Ehefrau des Physikers Pierre Curie standen Sie am Kochherd, erzogen zwei Töchter und machten nebenbei einige äußerst bedeutsame Entdeckungen der modernen Wissenschaft. Wie haben Sie diese Doppelbelastung gemeistert?
Marie Curie: Unser Leben bleibt immer gleich. Wir arbeiten viel, aber da wir viel schlafen, schadet es uns nicht. Wir waren ein ganzes Jahr lang weder im Theater noch im Konzert und haben nicht einen einzigen Besuch gemacht. Ich habe mit meiner Wirtschaft, den Kindern und dem Laboratorium über Hals und Kopf zu tun.

Trotzdem war Ihre Forschung so viel versprechend, dass Ihr Mann seine eigenen Experimente liegen ließ, um zusammen mit Ihnen nach mysteriösen, radioaktiven chemischen Elementen zu suchen. Und wieder waren Sie mit Widrigkeiten konfrontiert. Zum Beispiel stand Ihnen kein Labor, sondern nur ein alter, verlassener Schuppen zur Verfügung – wie sind Sie mit diesen schwierigen Bedingungen zurechtgekommen?
Marie Curie: Wir hatten kein Geld, kein Laboratorium und keine Hilfe, um die wichtige und schwierige Aufgabe auszuführen. Und doch waren die Jahre in dem elenden alten Hangar die besten, glücklichsten, einzig und allein der Arbeit gewidmeten Jahre unseres Lebens. Manchmal musste ich einen ganzen Tag lang eine siedende Masse mit einer Eisenstange umrühren, die fast ebenso groß war wie ich. Abends war ich zum Umfallen müde. Wir lebten wie in einem Traum, von der einen einzigen Sache erfüllt.

Und dann endlich hatte sich all die Arbeit gelohnt: 1903 bekamen Sie für die Entdeckung der Radioaktivität den Nobelpreis – als erste Frau überhaupt. Inwieweit hat sich Ihr Leben dadurch verändert?
Marie Curie: Wir haben den halben Nobelpreis bekommen. Ich weiß nicht genau, wie viel es ausmacht, ich glaube, es dürften ungefähr siebzigtausend Francs sein. Das ist für uns sehr viel Geld. Wir sind von Briefen und Besuchen von Photographen und Journalisten überschwemmt. Man möchte sich unter die Erde verkriechen, um Ruhe zu haben. Die Ehrungen und der Ruhm haben unser Leben vollständig ruiniert.

Marie Curies Forschung

Nach ihrem erfolgreichen Physik- und Mathematik-Studium wird Marie Curie Doktorandin bei dem Physiker Antoine Henri Becquerel. Sie ist davon überzeugt, dass sich die Strahlung, die Becquerel beim chemischen Element Uran entdeckt hatte, auch bei anderen, noch unbekannten Elementen finden lässt.

Zusammen mit ihrem Mann Pierre Curie forscht sie an der Pechblende, einem Erz, aus dem Uran gewonnen wird. Marie Curie isoliert zudem zwei weitere Stoffe, die die radioaktive Strahlung aussenden: Polonium (nach ihrer Heimat Polen benannt) und Radium. Die Strahlung dieser Elemente nennt sie „radioaktiv“; radius kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Strahl. Als erste Frau in Europa bekommt sie den Doktortitel, 1903 den Nobelpreis für Physik.

Unter anderem hatte sie entdeckt, dass die radioaktive Strahlung nicht davon abhängt, wie die Atome in radioaktiven Substanzen angeordnet sind, sondern dass sie mit dem Inneren der Atome selbst zu tun hat – eine damals revolutionäre Erkenntnis. Für die Entdeckung und Isolierung der beiden radioaktiven Elemente Radium und Polonium wird sie 1911 zum zweiten Mal mit dem Nobelpreis geehrt, diesmal in der Kategorie Chemie.

Ab 1922 erforscht Curie den medizinischen Nutzen der Radioaktivität und entwickelt mit ihrer Tochter Irene eine mobile Röntgenstation für Kriegsverletzte. In Paris und in Warschau gründet Marie Curie jeweils ein Radium-Institut.

Haben Sie nie daran gedacht, Ihre Entdeckung finanziell zu nutzen?
Marie Curie: Im Einvernehmen mit mir verzichtetet Pierre Curie darauf, aus unserer Entdeckung pekuniäre Vorteile zu ziehen: wir haben kein Patent auf sie genommen und ohne jede Einschränkung die Ergebnisse unserer Forschung veröffentlicht, ebenso wie das Herstellungsverfahren des Radiums.

Warum? Schließlich hatten Sie selbst nicht viel Geld.
Marie Curie: Die Menschheit bedarf sicherlich der auf das Praktische gerichteten Individuen, die imstande sind, aus ihrer Arbeit das Maximum an Gewinn zu ziehen und ihre eigenen Interessen zu wahren, ohne das allgemeine Wohl zu vergessen. Sie bedarf aber auch der Träumer, für die die uneigennützigen Weiterungen einer Unternehmung so etwas Fesselndes haben, dass es für sie nicht in Betracht kommt, an ihren eigenen materiellen Vorteil zu denken.

Vielen jungen Frauen, die in der Wissenschaft tätig sind, ist Ihr Erfolg ein Ansporn. Sehen Sie sich als Vorbild?
Marie Curie: In der Wissenschaft geht es um Sachen, nicht um Personen. Man muss nicht unbedingt ein widernatürliches Leben führen wie ich. Ich habe der Wissenschaft sehr viel Zeit gewidmet, weil ich dazu Lust hatte und die Forschung mich anzog. Was ich den Frauen und jungen Mädchen wünsche, ist ein einfaches Familienleben und eine Tätigkeit, die ihnen Freude macht.

Quellen der Antworten

  • Madame Curie. Von Eve Curie. Wien: 1937.
  • Marie Curie. Von Peter Ksoll und Fritz Vögtle. Hamburg: 1988.
  • Marie Curie. Biographie. Von Robert Reid. Düsseldorf: 1980.
  • Untersuchungen über die Radioaktiven Substanzen von Mme. Curie. Von Marie Curie. Braunschweig: 1904.
  • Das Basiswissen der Chemie. Von Charles Mortimer. Stuttgart: 2003.

Radioaktivität

Arten der Radioaktivität
Radioaktivität beschreibt denjenigen Prozess, bei dem sich instabile Atomkerne spontan in stabilere Kerne umwandeln und dabei radioaktive Strahlung aussenden. Hierbei unterscheidet man zwischen der Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlung. Beim Alpha-Zerfall werden Alpha-Teilchen aus Helium-Kernen ausgestoßen. Beim Beta-Zerfall hingegen werden Elektronen aus dem Kern ausgestoßen, sodass ein Neutron in ein Proton umgewandelt wird. Die Gamma-Strahlung besteht aus elektromagnetischer Strahlung mit sehr kurzer Wellenlänge und wird ausgesendet, wenn ein Kern aus einem angeregten Zustand in den Grundzustand übergeht.

Entdeckung
Das Phänomen der Radioaktivität wurde zuerst durch den französischen Physiker Antoine Henri Becquerel entdeckt. Marie und Pierre Curie prägten mit ihrer Forschung den Begriff der Radioaktivität und entdeckten weitere radioaktive Elemente (Polonium, Radium und Thorium).

Nutzung
Radioaktive Stoffe dienen unter anderem der Stromerzeugung (beispielsweise in Satelliten oder in speziellen Batterien für Herzschrittmacher). Radioaktive Bestrahlung wird auch zur Konservierung von Nahrungsmitteln verwendet. In der Medizin wird radioaktive Strahlung zur Diagnostik und Therapie von Krebs eingesetzt. Die Messung radioaktiver Isotope macht die Altersbestimmung von verschiedenen Materialen möglich (zum Beispiel mittels Radiokarbonmethode).

Gefahren Der Nachteil, dessen sich Marie Curie und andere frühere Forscher aber nicht bewusst waren: Radioaktive Strahlen schädigen Organismen, indem sie unter anderem Moleküle in den Zellen zerbrechen. Mögliche Folgeerscheinungen sind Blutkrankheiten, Haarausfall, Krebs und Unfruchtbarkeit.

Einheiten
Wie hoch die Aktivität des radioaktiven Stoffes ist, wurde früher durch die Einheit Curie (Ci) ausgedrückt, was die Aktivität von einem Gramm Radium definierte. Heute wird die Stärke der Radioaktivität in Becquerel (Bq) angegeben, womit angegeben wird, wie viele Atome pro Sekunde zerfallen.

Dieser Beitrag wurde ursprünglich 2008 veröffentlicht und 2021 aktualisiert.

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