Es spritzt und brodelt beim Vulkanausbruch. Credits: Gro Pedersen

Vulkane: Die Marslandschaft im Vorgarten

Fagradalsfjall-Vulkan, Geldingadalir

Der Mars ist 56.000 Kilometer entfernt. Um ihn zu erforschen, muss man aber nicht durchs All reisen. Eine Forscherin nimmt uns dafür mit auf Islands Vulkane.

Foto: Es spritzt und brodelt beim Vulkanausbruch. Credits: Gro Pedersen

Sie arbeitet dort, wo es gefährlich wird. Ihr Job ist – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Tanz auf dem Vulkan: Gro Birkefeldt Møller Pedersen ist eine dänische Geologin und Forscherin, die Vulkane analysiert und kartiert. Aktuell arbeitet sie als Postdoktorantin an der Universität von Island. Spezialisiert hat sie sich auf einen Vergleich der vulkanischen Gebiete Islands mit denen auf dem Mars.

Gro Pedersen erforscht auf Island das Verhalten von Vulkanen. Credits: Gro Pedersen

Entsprechend aufregend ist für Gro Pedersen der 19. März 2021. Denn gerade einmal 30 Kilometer von Islands Hauptstadt Reykjavík entfernt bricht ein Vulkan aus: Der Fagradalsfjall-Vulkan. Erliegt in einem Tal namens Geldingadalir auf der Halbinsel Reykjanes in Süd-West Island. Dieser Ausbruch sei etwas ganz Besonderes, so Pedersen: Es sei das erste Mal seit etwa 800 Jahren, dass in dieser Region ein Vulkan ausbreche. Auch jetzt noch dauert der Ausbruch an (Stand: August 2021). 

„The volcano is in the backyard of the capital. It is publicly accessible and also very accessible for scientists. By now, it is probably the best monitored eruption.“

Gro Birkefeldt Møller Pedersen, Geologin an der Universität von Island

Aber nicht nur die Lage des Vulkans ist außergewöhnlich: Der Ausbruch in Geldingadalir unterscheidet sich von vielen anderen Vulkanausbrüchen auf Island, denn er verläuft besonders langsam und gleichmäßig – ein eher ungewöhnliches vulkanisches Verhalten. „Vulkane sind ein bisschen wie Menschen“, sagt die Forscherin: „Jeder verhält sich anders.“

„I like to compare volcanoes to people. Each volcano is different, they all behave differently.“ – Gro Pedersen

Gro Pedersen, Geologin

Im Falls des Fagradalsfjall-Vulkans sind auch die geologischen Gegebenheiten besonders. Unter dem Vulkan befindet sich keine typische Magma-Kammer, die Lava strömt von einer noch tiefer liegenden Stelle als gewöhnlich an die Oberfläche. Deshalb heißt es jetzt für Pedersen: So viel von diesem besondere Ausbruch lernen wie nur möglich.

Expedition: Ab in die Vulkanlandschaft!

Am meisten lernt Gro Pedersen über die Vulkane, wenn sie sie persönlich kennen lernt, ihnen vor Ort begegnet. Dazu unternimmt sie Expeditionen in die Vulkanlandschaften, für die sie sich ausgiebig vorbereiten muss. Der Fagradalsfjall-Vulkan ist vergleichsweise einfach erreichbar, deshalb nimmt die Geologin dorthin in der Regel nur ein GPS-Gerät und eine Kamera mit. Je nach Umgebung braucht sie aber auch Schutzkleidung oder ist auf geländegängige Fahrzeuge angewiesen, schließlich gibt es auch Vulkane im Isländischen Hochland oder gar auf Gletschern. Für ihre Arbeit verfolgt Pedersen vor Ort die Lava-Umrandungen, fotografiert sie und vergleicht sie später mit den Daten von Sensoren. Das ermöglicht Erkenntnisse über das Ausbruchverhalten der Vulkane. 

Diese Erkenntnisse sind wichtig, weil sie die sogenannte Grundmodellierung von Lava verbessern können. Das heißt, dass dadurch besser vorhergesagt werden soll, wann und wohin sich bewegende Lavaflüsse ausbreiten – und das für Gebiete mit vulkanischer Aktivität weltweit. Das kann dort zum Katastrophenschutz beitragen. 

Island ist die größte Vulkaninsel der Welt 

Island ist die größte Vulkaninsel der Welt und trägt nicht umsonst den Titel „Land of Ice and Fire“: Hier treffen Gletscher auf Magma. Der Wettstreit der Elemente formte die Insel maßgeblich. Gleichzeitig ist Island die jüngste Insel Europas: Erst vor 20 Millionen Jahren brachen Vulkane am Boden des Atlantiks entlang aus und bildeten die Basis der Insel. Während der Eiszeiten überzogen Eismassen die Insel und formten sie weiter. Die Lage auf dem Mittelatlantischen Rücken ist auch heute noch die Ursache für die vulkanische Aktivität: die nordamerikanische und eurasische Kontinentalplatte bewegen sich jedes Jahr einige Zentimeter auseinander, sodass Magma aus dem Erdinneren an die Oberfläche tritt und Islands Gesicht immer wieder verändert. 

„In a way, you can research new land being born.“

Gro Pedersen

Deshalb gibt Gro Pedersens Forschung einen Einblick auf die Entstehung der Insel: „In gewisser Weise kann man erforschen, wie neues Land entsteht“, sagt Pedersen. Nicht nur auf Island, sondern weltweit. Das allein sei laut Pedersen Grund genug, um sich für ihre Erkenntnisse zu begeistern.

 Vulkane wie der Fagradalsfjall in Island können uns mehr über den Mars lehren. Credits: Gro Pedersen

Parallelen zum Mars 

Der Blick der Forschenden aus dem Bereich der Vulkanologie und Astrobiologie, die den Ausbruch in Geldingaladur untersuchen, geht aber über Island und die Erde hinaus. Er richtet sich ins All, auf den Mars. Denn auch der Mars ist als vulkanischer Planet bekannt, auf dem vor vielen Billionen Jahren flüssiges Wasser existiert haben soll. Als der Planet aber abkühlte, verdampfte oder gefror das meiste Wasser.

Hydrothermal-Systeme als möglicher Lebensraum

Auch hier ist dieses Zusammenspiel von Feuer und Eis interessant: Wenn heißer Stein auf Grundwasser stößt, bilden sich nämlich sogenannte Hydrothermal-Systeme. Das sind Teile der Erdkruste, in denen ein Kreislauf aus heißem Wasser und Gasen besteht, der Mikroorganismen einen Lebensraum bieten kann. Genau wie auf der Erde sind solche Systeme auch auf dem Mars möglich. 

 „Iceland provides a window into a certain environment you don’t see at many places“

Gro Pedersen

Während der Mars schon seit Billionen von Jahren keinerlei Lebensvoraussetzungen mehr an der Oberfläche bietet, könnten solche unterirdischen Hydrothermal-Systeme noch Raum für Leben geboten haben. Ob und inwiefern es möglich ist, dass solche Vorgänge auch heute noch auf dem Mars geschehen, versuchen Forschende der Vulkanologie und Astrobiologie anhand der irdischen Vulkane zu ergründen, auch am Fagradalsfjall-Vulkan auf Island.

Per Touribus zum Lavastrom

Dass die vielen Touristen und Touristinnen diese Parallele zum Mars erkennen ist fraglich. Der Ausbruch des Fagradalsfjall an sich ist auch so schon faszinierend genug, um tausende von ihnen an den Rand der Lavaströme zu locken. Das habe in den ersten Monaten insgesamt zu fast 100.000 Menschen geführt, die den Vulkan von Geldingadalir, besucht hätten so Pedersen. Und das in einem Land, in dem nur knapp über 350.000 Menschen leben. Ein Grund ist die gute Erreichbarkeit: Binnen weniger Autominuten ist man von Reykjavík vor Ort, kann parken und sich gleich darauf die Lava anschauen. 

Betretungsverbote gibt es kaum. Die isländische Regierung setzt in erster Linie auf Aufklärung und Informationsangebote. Pedersen empfiehlt, dass sich Besucher:innen regelmäßig im Internet oder bei Tourismusunternehmen informieren. Bei schlechten Wetter- oder Sichtbedingungen könne es gefährlich werden, vor Ort zu sein. Nur wenige Gegenden sind aus Gefahr vor vulkanischen Gasen geschlossen. Pedersen rät, den Wind im Rücken haben, um Gasvergiftungen vorzubeugen und einen sicheren Abstand zur Lava zu wahren, da sie ständig in Bewegung ist.

„Seeing a lava flow is a very educational thing to do.“

Gro Pedersen

Mit den richtigen Vorsichtsmaßnahmen lohnt es sich aber, dieses Naturspektakel anzusehen. Wer mehr über vulkanische Landformen lernen möchte, sollte laut Pedersen generell viel durch Island fahren und sich verschiedene Gegenden anschauen. Schließlich könne Island wie kaum ein anderes Land der Erde einen Einblicke ins Innere unserer Welt geben – und sogar Ausblicke über unseren Planeten hinaus. 

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